Dass Weihnachten und Silvester für mich am anderen Ende der Welt echte Herausforderungen werden, war mir natürlich bewusst. Dass es nach so vielen Jahren, in denen ich nicht mehr zu Hause wohne, dann aber doch so schwierig wird, habe ich nicht erwartet.
Mir hat an Weihnachten natürlich in erster Linie meine Familie gefehlt. Auch die eisige Kälte, das gute Essen und die vielen Traditionen. Mir haben meine Freunde gefehlt und die Treffen mit ehemaligen Schulfreunden in der Heimat.
Noch schwieriger war es für mich allerdings an Silvester, denn ich liebe diese Nacht, in der ich endlich mal mit Feuer spielen darf! 😉
Ich habe es vermisst auf den letzten Drücker einzukaufen, stundenlang Raclette zu essen, Orakel vorzulesen, „Dinner for one“ zu schauen und letztendlich: Böllern während man sich in der Kälte die Finger am Feuerzeug wund scheuert.
In Neuseeland gibt es das alles nicht. Während in Europa der Einzelhandel schon Wochen vor dem Jahreswechsel völlig ausflippt, bin ich in Wellington zwei Tage lang durch die Stadt geirrt ohne auch nur einen einzigen Böller oder lustige 2017-Partybrillen zu finden.
Was stimmt denn mit euch nicht?
Eigene Böller zu zünden ist in Neuseeland nur ein Mal im Jahr erlaubt: In der „Guy Fawkes Nacht“ am 5. November, einem britischen Gedenktag. In der Silvesternacht ist ein eigenes Feuerwerk dagegen verboten. So kam bei mir natürlich nicht die gewohnte Silvesterstimmung auf.
Als wäre das nicht schon genug hatten Alica und ich uns natürlich mal wieder viel zu spät um einen Schlafplatz gekümmert und waren deshalb obdachlos: Denn in der Silvesternacht waren alle Betten in der Hauptstadt ausgebucht. Damit konnte aber nun wirklich keiner rechnen … 😉
Dank Mark Zuckerberg und seiner genialen Erfindung konnten wir uns dann aber doch noch auf den letzten Drücker mit sieben weiteren Backpackern per Facebook zusammentun, die ein Haus am Stadtrand gemietet hatten. Was für ein Luxus! 😉
Nachdem wir uns ein Festmahl gezaubert hatten (Chili con und sin carne) sind wir also zum großen, öffentlichen Feuerwerk an den Hafen gefahren. Dort wurde mir ein weiteres Mal bewusst, wie unwichtig den Kiwis die Silvesternacht ist: Tausende Menschen warteten am Hafen, doch die Liveband auf der Bühne spielte um 23:59 Uhr immer noch. Ich wurde immer nervöser … Wo bleibt das gemeinsame Abwarten? Die Spannung? Der Countdown?
Den gab es zumindest noch, in allerletzter Sekunde. Ganz plötzlich stoppte die Band und der Moderator sagte zum ersten Mal etwas an diesem Abend: „Let’s count together: Five, four, three, two, one – Happy New Year!“
Das war’s.
Okay, ganz so unspektakulär war es dann doch nicht: Es gab tatsächlich ein kleines Feuerwerk. Für etwa fünf Minuten. Ohne großes Finale hörte aber auch das genauso plötzlich wieder auf wie es begonnen hatte.
Danach trat der typische Fußballstadion-Effekt ein: Der Bereich rund um den Hafen leerte sich innerhalb von Sekunden. Um zehn nach zwölf waren alle Einheimischen wieder zu Hause im warmen Bett. Zurück blieben wir: Einige verstörte Backpacker, die sich verdutzt anschauten.
Es ist wirklich interessant Feiertage wie Weihnachten und Neujahr in anderen Ländern zu verbringen. Wenn man dabei in neue Welten eintaucht und unbekannte Traditionen kennenlernt. In Neuseeland war es für mich allerdings sehr schwer, denn das Land ist noch so jung: Ganz unabhängig ist es erst seit 1986, eine eigene Verfassung hat das Land noch immer nicht. Eigene Traditionen werden kaum ausgelebt, stattdessen werden andere (oftmals schlecht) kopiert.
Nicht umsonst hat die Tagesschau am Silvestertag ein Foto vom spektakulären Feuerwerk in Sydney veröffentlicht und dazu via Facebook geschrieben: „Australien begrüßt 2017“.
Dass Neuseeland schon zwei Stunden eher das neue Jahr eingeläutet hat interessiert nicht. Denn es gibt kein grandioses Foto, keine Hauptstadt, die mit einer großen Feier polarisiert.
Deshalb:
Liebes Neuseeland,
ich weiß, du bist noch sehr jung. Du musst noch sehr viel lernen.
Aber schau dabei doch auch mal über den Rand deines britischen Teetellers hinaus! Es gibt so viel mehr zu feiern als einen englischen Gedenktag. So viel mehr zu essen als Porridge. So viel mehr interessante Sportarten als Rugby. So viel kreativere Namen für Städte als Brighton, Oxford oder Cambridge.
Schaffe dir eigene Traditionen, die es Wert sind zu erleben. Wir Touristen kommen sowieso, denn wir lieben deine Natur. Lass uns in Zukunft doch auch an deiner ganz eigenen Kultur teilhaben! 😉